Kunstprojekt in 5 Akten Im Garten der Schmetterlinge Schloss Sayn
Der Schmetterlingsgarten, direkt neben dem Schloss Sayn gelegen, ist ein wunderbarer Ort. Umgeben von einem weitläufigen Park versetzt er die Besucher in eine andere Welt. Eine märchenhafte, friedliche Welt in der buntschillernde Falter gaukeln, durch die sich ein kleiner Bach zwängt und die mit üppigem Pflanzenbewuchs bezaubert. Gleich beim Eingang kann man durch die Fenster der „Puppenstube“ Einblick in die bizarre Vielfalt der Schmetterlings-jugend erhalten und dem ein oder anderen Falter sogar beim Schlüpfen zusehen. Fragt man die Wissenschaftler, die sich im Schmetterlingsgarten liebevoll um ihre Schützlinge kümmern, kann man viel über die verschiedenen Arten oder den geheimnisvollen Vorgang der Metamorphose erfahren. Im Jahr 2009 wird diese Welt um eine Dimension erweitert. 5 Künstler aus den unterschiedlichsten Disziplinen werden sich dem Thema „Wirbellose – von Schmetterlingen und anderen veränderlichen Dingen“ nähern. Sie werden nicht nur versuchen, diese Traumwelt aufrecht zu erhalten, sie werden auch hinterfragen, Bruchstellen im zarten Gefüge aufzeigen oder den wissenschaftlich-biologischen Aspekt in den Vordergrund stellen. Spätestens beim Spagat Kunst/Insekt wird man merken, wie fragil diese Welt ist , wie fanszinierend und vielfältig. Wie sehr sie aber auch Schutz bedarf und wie harmonisch die Welten der kulturellen und der natürlichen Evolution nebeneinander stehen.
Eröffnungen der einzelnen Ausstellungen:
Akt 1. Anja Schindler 09. Mai 2009, 17:00 Uhr
Akt 2. Ulrike Oeter 21. Juni 2009, 19:00 Uhr
Akt 3. Ines Braun und Iris Stephan 26. Juli 2009, 18:00 Uhr
Akt 4 Josef Snobl 20. September 2009, 18:00 Uhr
Akt 5 Gemeinschaftsausstellung 08. November 2009, 16:00 Uhr
Garten der Schmetterling Schloss Sayn Im Fürstlichen Schlosspark 56170 Sayn/Bendorf
Schirmherrin: Hedwig Neven DuMont Einführung: Dr. Beate Reifenscheid Direktorin Museum Ludwig Koblenz
Anja Schindler (Installation, Malerei)
Schindlers Installationen gleichen kleinen Laboratorien, alchimistischen Forschungs-kammern eines Sonderlings, wo türkisgrün versiegelte Gläser und Flaschen in honig-goldener Flüssigkeit etwas aufbewahren, das Rätsel aufgibt. Ob Naturalien oder Artefakte, Sie überlässt es dem Betrachter, die Wertigkeit der Dinge herzustellen. Sie umgibt ihre zeitgenössischen Reliquien mit einer Aura von Harmonie und Schönheit, die sich von Grabbeigaben archaischer Kulturen herleiten. So werden sie zu Bildzeichen für die Geheimnisse der Welt, öffnen Assoziationsketten der Erinnerung und Wahrnehmung und plädieren für die Erhaltung irdischer Daseinsformen im Zeitalter globaler Bedrohung.
Schirmherrin: Marianne Pitzen, Direktorin Frauenmuseum Bonn Einführung: Dr. Petra Oelschlägel, Kunsthistorikerin Performance: Bärbel Kasperek, Hannover
Eröffnung: Sonntag 21. Juni 19.00 Uhr
Ulrike Oeter (Objekt, Installation)
Die Metamorphose der Insekten wurde im 17 Jahrhundert von der Forscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian erkundet und in Büchern herausgegeben. Dem Leben, der Arbeit und den Reisen dieser vielfältigen Pionierin widmet Ulrike Oeter eine Kollektion von Arbeit- und Reisekleider, die die ungewöhnliche Lebensweise der Sammlerin , Beobachterin, Mutter und Künstlerin , ihren Unternehmungsgeist und ihre wissenschaftliche und Künstlerische Reise nach Südamerika archivieren
Das Thema „Neobiota“ hat Ines Braun und Iris Stephan zu einer künstlerischen Auseinandersetzung gereizt, weil es widersprüchlich und vielschichtig ist, weil Vermutungen sich an der Realität messen lassen müssen und Befürchtungen sich in Albträume verwandeln können. Weil Begriffe wie „Fremdling“, „Gefangenschaftsflüchtling“ oder „Invasor“ assoziativ sind, Vakuen aufbauen und, durch das Moment der freiwilligen oder unfreiwilligen Bewegung, gleichermaßen an menschliche und tierische Aktivitäten denken lassen.
Die exotische Artenvielfalt im Garten der Schmetterlinge wird im Rahmen dieser Ausstellung um etliche „eingeschleppte“ Arten erweitert und gleichzeitig zur Projektionsfläche für menschliches Phantasie.
"Megaptera"
Ines Braun (Objekt) Sie arbeitet mit Dingen vom Flohmarkt. Sie enttechnisiert meist alte Geräte zugunsten eines eigenen Kosmos, der anhand von eigenwilligen und phantasievollen Kreaturen immer wieder die Kraft der Evolution beschwört. Ein Kosmos, der emotional statt funktionell ist, der individuell statt rationell ist und der statt Technik einen Hauch von Lebendigkeit trägt ...
Friedhof der Arten
Insekta Urbanica
Insekta Urbanica
Insekta Urbanica
"Megaptera"
Iris Stephan (Malerei, Installation)Iris Stephan bearbeitet alte Dias mit der gleichen zersörerischen Kraft, wie einige pflanzlichen Invasoren (Neophyten) die Heimischen Arten ausrotten. Sie verbrennt große Teile der Dias, zerkratzt ihre Oberflächen, überzieht sie mit Wachs und lässt so den Eindruck entstehen, neue fremde Arten dringen in die heimische Flora ein, überlagern, überwuchern und vernichten mit ihrer aggresiven Invasions-politik die alten Arten bestehender Geschellschaften.
Kultur und Natur – sonst häufig ein unversöhnlicher Gegensatz –zeigen hier, dass sie einander ebenso gut ergänzen können, ja vielleicht sogar zwei unverzichtbare Seiten ein und derselben Medaille darstellen.
Heute nun also „Akt 3“ des Kunstprojekts „Wirbellose“ (übrigens nicht zu verwechseln mit „rückgratlos“), sondern – so der Untertitel „von Schmetterlingen und anderen veränderlichen Dingen“. Dieser 3. Akt präsentiert Ihnen gleich zwei Künstlerinnen: Ines Braun und Iris Stephan, die eine geboren in Duisburg, die andere gebürtig aus Bad Ems, haben sich mittlerweile in Köln, der Metropole des Rheinlands, niedergelassen und betreiben von dort die künstlerische Entdeckung nicht nur der rheinischen Welt. So, und eigentlich könnte ich damit auch bereits wieder aufhören: Auf einer Website über Iris Stephan steht nämlich folgendes schöne Zitat: „Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen; darum scheint es eine Torheit, sie durch Worte vermitteln zu wollen“ (Joh. Wolfg. v. Goethe). Was – meine sehr verehrten Damen und Herren – sollte ich nach einem solchen Hinweis mir noch erlauben, sagen zu können?
Hinzu kommt, dass ich mir ein wenig vorkomme wie jene „Titelhelden“ der Ausstellung: nämlich wie ein „Neobiotum“, wie ein Fremder, der in unbekanntes Territorium verschleppt, dort eindringt und nun sein zweifelhaftes Handeln beginnt.
Von Haus aus wirklich nicht mit großen Biologiekenntnissen gesegnet, mögen Sie dem Kunsthistoriker daher die ein oder andere begriffliche Unschärfe verzeihen. Den ersten Fehler habe ich ja bereits begangen, denn – so habe ich in den letzten Tagen gelernt – ein Neobiotum gibt es gar nicht, Neobiota kommen nur in der Mehrzahl vor. Warum eigentlich?
Nehmen wird das Neue, Unbekannte, das Fremde erst dann wahr, wenn es massenhaft auftaucht?
Vor allem aber gibt es unterschiedliche Arten dieser merkwürdigen „Neobiota“ : „nicht–invasive“, das sind jene, die sich relativ folgenlos in neubesiedelten Räume eingliedern und „invasive“, das sind jene, die das Gleichgewicht innerhalb eines Systems nachhaltig und übermäßig schnell stören. So zumindest die deutsche Definition. Im angelsächsischen Sprachraum spricht man dagegen von „exotic species“, „introduced species“ und „naturalized species“ also von fremdartigen , eingeführten und eingebürgerten Arten.
Und damit sind wir bereits nah bei unseren beiden Künstlerinnen. Ines Braun und Iris Stephan schreiben in der Einladung zur Ausstellung „das Thema sei widersprüchlich und vielschichtig, Vermutungen müssen sich an der Realität messen lassen, Ängste werden zu Albträumen und Begriffe wie „Gefangenschaftsflüchtig“ oder „Invasoren“ lassen Assoziationen aufkommen.“ Ähnlich wie „fremdartig“, „angepasst“ oder „eingebürgert“. Ist also die wissenschaftliche Erforschung der „Neobiota“ nur eine spezielle, auf die Natur projizierte Form des Exotismus?
Es ist doch auffallend, dass der Begriff der Neobiota nur auf die Jahre nach 1492 – also nach der Entdeckung Amerikas – Anwendung findet.
In der Zeit davor, als die Welt der Alten Europäer noch in Ordnung war, gab es das Problem nicht, obwohl ähnliche Phänomene sehr wohl existierten.
Zeigt sich also in der verbreiteten Reaktion gegen „invasive Neobiota“, nämlich sie möglichst zu beseitigen, also nur eine besondere Form der Xenophobie, der Angst vor dem Fremden? Die Rosskastanie und der Damhirsch – längst „eingebürgerte“ Neobiota – sind z.B. von solchen Überlegungen nicht betroffen, sie sind ja schließlich „integriert“. Oder ist das nur eine weitere, unmaßgebliche Assoziation?
Als Nicht–Biologe kann ich Ihnen die Antwort auf meine vielleicht naive Frage, ehrlich gesagt, nicht geben.
Was ich als Kunsthistoriker, im weiteren Sinne also Kulturwissenschaftler jedoch feststellen kann, ist, dass die Angst vor dem Fremden, gleichzeitig aber auch die Faszination für das Exotische zu den Grunderfahrungen menschlichen Zusammenlebens gehören. Wir gehen in Tierparks und Zoos um exotische Lebewesen zu bestaunen – und wir empören uns über deren Gefangenschaft und unnatürliche Lebensräume. Die Konsequenz ist heute, wir besuchen sie in fremden Ländern und bestaunen sie in ihrem eigenen Lebensraum – und tragen damit gleichzeitig zu dessen Zerstörung bei: Ein wahrhaft unlösbarer Teufelskreis.
Und genau diesen können wir in der Ausstellung von Iris Stephan und Ines Braun wieder finden: Inmitten exotischer Schmetterlinge finden sich Ines Brauns scheinbar so fremde „Insecta urbanica“, darunter jene neuentdeckten „Megaptera“, „Großflügler“. Doch sehen Sie genau hin: die Details machen es deutlich. Sind nicht eigentlich die „insecta urbanica“ und ihre Einzelteile, dass, was wir kennen und die Schmetterlinge und ihre zierlichen Glieder und Farben das Fremde, Bedrohliche?
Wir können uns vielleicht über die „insecta urbanica“ freuen, möglicherweise sogar lachen – trotzdem bleibt an ihnen etwas Verstörendes. Und Iris Stephans Kokons? Scheinbar aus vertrauten Materialien angefertigt, zeigen sie nichts davon, was aus Ihnen entsteht, welcher mögliche Albtraum aus Ihnen schlüpft. Oder ihre „Brandings“: Alte Dias, die Iris Stephan mit der gleichen zerstörerischen Kraft bearbeitet hat, mit der einige der „invasiven“ Neobiota den heimischen Arten zu Leibe rücken. Schönheit entsteht hier als Ergebnis von Zerstörung.
Meine Damen und Herren, bitte verstehen Sie mich nicht falsch: ich halte nichts von dem unbedingten Fortschrittsglauben der Romantiker des 19. Jahrhunderts und noch einiger Expressionisten und Futuristen des frühen 20.Jahrhunderts, die, wie Friedrich Schlegel, von der „reinigenden Kraft des Krieges“ und der Gewalt als ästhetischem Fortschrittsmotor fantasierten. Aber die Ausstellung lässt uns auch darüber nachdenken, dass das Eindringen zunächst fremder, aber zunehmend vertrauter Elemente uns selbst verändert. Denn das was wir einmal kennen, fürchten wir nicht mehr, es wird Teil unserer Kultur und Gesellschaft.
Dagegen die beiden Pole „Xenophobie – Fremdenangst“ und Exotismus – Faszination des Fremden“. Sie stellen zwei Extreme dar, die uns die objektive Sicht auf die Dinge nur erschweren: die Xenophobie bekämpft das Fremde, um das Eigene, Bekannte nicht in Frage stellen zu müssen – der Exotismus zieht dagegen in die Fremde, man muss daher zu Hause nichts ändern.
Wenn also diese Ausstellung hier im Schmetterlingsgarten uns dazu bringt, in den exotischen Schmetterlingen das Bekannte zu finden und in den heimischen Kokons und den „insecta urbanica“ und all den weiteren Spezies, das Fremde zu entdecken, gewinnen wir auch die Chance, scheinbar unversöhnliche Gegensätze aufzulösen. Natur und Kultur statt Natur vs Kultur, Bekanntes und Fremdes statt Bekanntem vs Fremdem.
Dafür danke ich den Künstlerinnen und Fürstin Gabriela und wünsche Ihnen viel Freude bei der Entdeckung von unbekannt Bekanntem!
An der Fotografie interessiert Josef Snobl die Zeit. Verfall, Verlust und das Verschwinden. Für den Schmetterlingsgarten wählt Snobl die Form des Fotogrammes. Sie erscheint ihm für diese Arbeit am Besten geeignet, da sie diese Verfallsprozesse aufhält. Die Fauna und Flora werden von der Sonne belichtet und dann von Josef Snobl fixiert. Die Schmetterlinge vergrößert...
Zur Gemeinschaftsausstellung Akt 5 ist ein Katalog erscheinen.
Die Künstlerinnen und Künstler Anja Schindler, Ines Braun, Josef Snobl, Ulrike Oeter und Iris Stephan schaffen sich in der Regel ihre eigenen temporären Kunstorte, d.h. sie finden Orte die sonst nicht für die Kunst vorgesehen sind. Gerade die Unwirtlichkeit dieser Orte schafft, als Herausforderung, den Ausgangspunkt für raum- und sinnbezogene Arbeiten. Die KünstlerInnen zeigen an diesem besonderen Ort Malerei, Objekt, Installation und Fotografie.